Malaysia ist für mich wie das Trostpflaster auf die verpasste Chance, 3-4 Monate in Süd-Ost-Asien zu reisen. Meine Rechnung habe ich allerdings ohne die alte Grand Dame Europa gemacht, die in Form einer Umbuchungs-Orgie mit einhergehender Stornierung bei der Airline meiner Wahl, trotz bestehendem Flugticket, das Chaos am AirFrance Check-In perfektioniert und mich nur widerwillig hergibt. Irgendwann ist doch noch ein Sitz im Flieger frei und der Marathon kann beginnen; Paris – Shanghai – Kuala Lumpur, 21 Stunden und 7 Zeitzonen später kommen wir irgendwann zwischen Mitten-in-der-Nacht und Kurz-vor-Morgengrauen im Hostel an und die frisch geweckte Hostel-Mama nimmt einen so liebenswert auf, dass man erleichtert seine Schuhe abstreift und samt Klamotten ins Bett schlüpft. Here you go, meine Femme Fatal und ich sind in roaring Kuala Lumpur, im Slang der Einheimischen nur „KL“ genannt (nicht zu verwechseln mit Kaiserslautern).
Drei Wochen lang haben wir beide Zeit um uns auf den Märkten Kota Kinabalus den Bauch mit Meeresfrüchte vollzuschlagen, auf (fast) einsamen Inseln zu tauchen oder zu schnorcheln, Schildkröten und Orang Utans zu beobachten, durch rauschende Flüsse zu raften und lauter weitere Kleinigkeiten die man halt so macht, wenn man gerade mal ein wenig Zeit übrig hat. Malaysia ist ein faszinierendes Land, aber es fehlt ein wenig der WOW-Effekt des Backpackens, das Pfeffer im Rucksack das Salz im Reiseführer. Vielleicht liegt es daran, dass ich anfange die Wunder dieser Welt auf meiner eigenen Erfahrungs-Skala zu bewerten und mit Noten zu versehen. Die weißen Traumstrände werden mit San Blas oder den Cook Islands verglichen und die fehlenden Wasserfälle in Langkawi lassen sehr konkrete Erinnerungen an Iguazu aufpoppen. Der Trip fühlt sich gut, aber nicht völlig frei und unbeschwert an und so kommen leise Zweifel auf, ob es nicht sinnvoller wäre seinen spärlichen Jahresurlaub in 5*-All-In-Bunkern zu verbringen und seinen Aktionsradius auf den Pool und dessen Bar zu beschränken. Drei Wochen sind dann leider doch keine drei Monate und somit wirkt es wie ein fauler Kompromiss aus Individual-Urlaub und Abenteuerreise.
Pah! Pustekuchen, beim ersten Bus-Trip quer durch Borneo verwerfe ich diese Überlegungen ziemlich schnell, denn es ist die Freiheit zu reisen wohin man will, die mich so am Backpacken fasziniert, auch wenn es auf Grund der Weihnachtszeit und völlig ausgebuchten Touren nicht immer möglich ist, den Ort zu besuchen, den man in Hochglanz-Prospekten so verheißungsvoll angepriesen bekommt und der einem in abartigem Technicolor das nächste Abenteuer auf die Innenseite der Stirnwand projiziert. Last Minute hat halt auch ein gewisses Restrisiko und drei Wochen kann man auch ganz schön vollstopfen. Eine Alternative gibt es irgendwie immer und so wird das Programm eben umgeschrieben und die Route auf Basis des Lonely Planets neu berechnet. Der 5* Sterne All-In-Bunker lässt einem ja meist nur die Option friss (5-mal am Tag das „All-In-Büffet“) oder stirb (wenn es dann eben nicht 5* ist).
Auf Turtle Island einer Schildkröten Mama dabei zuzusehen, wie sie gerade ein paar Duzend Eier legt um kurz darauf ein die neu geborenen Schildkröten-Babies ins Meer zu entlassen hat ungemein viel Charme und entschädigt einen doch immens dafür, dass die Besteigung des Mt. Kinabalu nur möglich gewesen wäre, wenn ich meine Seele und mein letztes Hemd meistbietend verhökert hätte. Es bleiben eher die kleinen und feinen Momente der unbeschwerten Zweisamkeit in Erinnerung, als die Feuerwerke an orgastischen Gefühlsachterbahnen, welcher sich beim Beinahe-Tod und schweißtreibenden Aufstieg auf einen Berggipfel vielleicht eingestellt hätten. Ein bisschen Wehmut, ja, das scheint in meinem Naturell zu liegen. Bedauern? Eigentlich nicht, denn ich bin nach meiner Rückkehr eine Weile noch völlig verstrahlt und geistesabwesend durch den Tag geschlendert und das zeigt mir doch, dass sich ein wenig Unbeschwertheit in den Alltag retten lies.
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