Zweistellig

Der Ticker tickt und ich bekomme es kaum mit, die Tage fliegen einfach vorbei. Weniger als 90 sind es laut Statistik noch. Hell-Dunkel-Hell-Dunkel-Dunkel-Dunkel-Dritter-Advent-Neujahr-Abflug… so wirkt es zumindest.

Es sind sehr aufregende Tage, die allesamt scheinbar nahtlos ineinander übergehen und einen stetigen Dämmerzustand nah am Fieberdelirium erzeugen. Aufwachen, arbeiten, Zeugs kaufen, Arzt besuchen, Amt besuchen, Formulare ausfüllen und derlei Ereignisse die im Rahmen der Vorbereitungen so wichtig erscheinen sind teilweise schon erschreckend automatisierte Abläufe. Innehalten, bewusstes Wahrnehmen… Fehlanzeige. Der Tag an dem ich versuche meinem Arzt meine Unterlagen vom Arbeitsamt anzudrehen und auf der Makler-Mailbox rotzige Kommentare über Zuverlässigkeit hinterlasse um dann peinlicherweise festzustellen, dass ich den falschen Termin erwischt habe zeigen mir: Es ist was faul im Staate Dänemark… die Bestellung von drei FischMac (Filet-o-Fish geht ja mal gar nicht!) Menüs bei McDonalds, obwohl ich nur einen einfachen Burger haben wollte, signalisieren mir dann doch sehr unschön: No more Durchblick, eher so Mattscheibe! Total irre, ich höre mich selbst, wie aus der Ferne, diesen Unsinn an Bestellung verzapfen und bin dermaßen perplex, dass ich eine Korrektur gar nicht mehr weiter in Betracht ziehe… macht mich total fertig sowas, aber ich schweife ab.

Sich weiter mit Planung von Details zur Reiseroute zu befassen löst also nur noch Migräne und einen Wunsch nach massivem Alkohol-/Drogenkonsum aus. Der Punkt wurde daher zwecks Rücksicht auf meine Gesundheit geskipt und endgültig durch lost in time and space ersetzt. Fast Forward war als Kind schon meine Lieblingstaste und passt auch deutlich besser zu meinem Typ. Das Gerede vom Radiomoderator wird also fleissig weggespult und Bäm, als wäre es ein göttliches Zeichen, stoppe ich bei Kurt Tucholsky – Die Kunst falsch zu Reisen. Bingo! Der Punkt „Planung Routendetails“ wandert damit direkt ins Gefängnis, ohne Los und Taschengeld ist auch nicht.

Die Kunst, richtig zu reisen

Entwirf deinen Reiseplan im großen – und laß dich im einzelnen von der bunten Stunde treiben.

Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an. Niemand hat heute ein so vollkommenes Weltbild, dass er alles verstehen und würdigen kann: hab den Mut, zu sagen, dass du von einer Sache nichts verstehst.

Nimm die kleinen Schwierigkeiten der Reise nicht so wichtig; bleibst du einmal auf einer Zwischenstation sitzen, dann freu dich, dass du am Leben bist, sieh dir die Hühner an und die ernsthaften Ziegen, und mach einen kleinen Schwatz mit dem Mann im Zigarrenladen.

Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin, und sie wird sich dir geben.

Das hat Stil und wird zum Motto der Stunde gewählt! Mir drängt sich zeitweise eh der Verdacht auf, dass 80% der Vorbereitungsmaßnahmen völlig für die Tonne sind. Ich habe jetzt einen internationalen Führerschein, ein potthässliches Stücken Papier das mich, in diversen Sprachen, dazu befähigt im Ausland weiter an meiner Strafzettel-Sammlung zu werkeln. Biometrische Passbilder: 24,95 EUR, Bearbeitungsgebühr: 16,- EUR, sich der Illusion hinzugeben, dass er auch International anerkannt wird: unbezahlbar. Für den Reality-Check bis zur Abreise werde ich also Polizeikontrollen herausfordern und den Beamten dieses Dokument, dämlich grinsend, überreichen. Mal gucken ob die dann damit etwas anfangen können, die drohenden Strafzettel wären es mir allemal wert.

Um mich von diesem Bevor-es-nun-auf-Weltreise-geht-muss-aber-noch-unbedingt-Stress zu erholen gehe ich in Frankfurt shoppen (Yeah, ich hab endlich eine Trekkinghose gefunden der man ihre reine Zweckmäßigkeit kaum ansieht), Weihnachten steht ja schließlich vor der Tür und will dieses Jahr besonders gigantisch gefeiert werden. Ich erwäge sogar extra einen Baum zu kaufen und eine Lasershow für die besinnliche Beleuchtung zu installieren. Nix mit „Bescheiden“, das muss krachen! Erst wenn ich einen zwei Minuten Gastauftritt in der Tagesschau habe, erkläre ich das Ziel für erreicht. Tja, ein weiterer Punkt der mich nachdenklich stimmt. Alles was mit Familie und Freunden zusammenhängt wird überintensiviert. Die Tage können gar nicht prall genug mit Brunches, Abendessen, Kinobesuchen, Partys und Überraschungsbesuchen vollgestopft werden. Ein letztes Mal vor und ein letztes Mal mit, ein letztes Mal… wahrscheinlich wieder nur eine panische und reflexartige Überreaktion des Unterbewusstseins, trotzdem ein komisches Gefühl. Aber auch eine Vielfalt an genialen Augenblicken in denen man diesen Coke Zero Moment erlebt… das Leben wie es sein sollte.

 

4 comments on “ZweistelligAdd yours →

  1. „Ich habe jetzt einen internationalen Führerschein, ein potthässliches Stücken Papier das mich, in diversen Sprachen, dazu befähigt im Ausland weiter an meiner Strafzettel-Sammlung zu werkeln.“ <3 😀

    1. Sicher hast du das verpasst! Ich hab Ökostrom, der kostet immer mehr als der Atomstrom. Laser braucht viel Strom, ergo viel Strom gleich weniger Geld für die Reise… ich hab die Show daher immer nur von 04:45 Uhr bis 4:46 Uhr laufen lassen. Da kann ich doch jetzt echt nix dafür, wenn du da nicht anwesend bist, geistig wie körperlich 😀 Freut mich aber der der Vogel positiv aufgenommen wurde!

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